Was tun gegen Burnout im Management?

Stress im Job, das Privatleben kommt zu kurz: Top-Manager leiden häufig unter extremem Arbeits- und Zeitdruck. Das zeigt eine Studie der TU Darmstadt. Sie gibt Tipps, wie sich der Burn-Out vermeiden lässt.

„Das Thema Work-Life-Balance hat in den vergangenen Jahren an Brisanz gewonnen“, sagt Ruth Stock-Homburg, BWL-Professorin an der Technischen Universität Darmstadt. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin, Diplom-Psychologin Eva-Maria Bauer, hat sie die Leistungsfähigkeit von Führungskräften untersucht. „Die Anforderungen an die Manager der Topebene sind enorm gestiegen, vor allem junge Führungskräfte haben Probleme, eine Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben aufrechtzuerhalten“, so die Wissenschaftlerin. Dabei schätzen Stock-Homburg und ihr Team die Kosten für den Ausfall von Topmanagern, die an Burn-out-Symptomen leiden, jährlich auf mehrere Millionen Euro. „Topführungskräfte erkennen die Brisanz des Themas aber häufig erst im späteren Berufsleben, beziehungsweise nach ihrem Ausstieg“, sagt Bauer.

Mit ihrer Studie zum Thema Work-Life-Balance stießen die Wissenschaftlerinnen auf eine überraschend breite Resonanz: 42 Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene – darunter fünf Frauen – erklärten sich bereit, in einem 40-minütigen Tiefeninterview über ihre persönliche Work-Life-Balance Auskunft zu geben. 38 der 42 befragten Manager beurteilen das Thema auch als zunehmend wichtig, nicht nur im Hinblick auf die Chefetage. Lediglich drei der Befragten sind der Meinung, eine Balance zwischen Beruf und Privatem sei unmöglich für Topmanager.

Ebenfalls eine große Mehrheit der befragten Führungskräfte stimmten der Aussage zu, dass in den vergangenen Jahren eine Reihe rasanter Entwicklungen die Anforderungen an die Führungsetage enorm gesteigert haben – allen voran die Kommunikationstechnologie. „Die Manager der Topebene müssen immer erreichbar sein, das Handy abzuschalten, traut sich kaum einer“, erklärt Stock-Homburg.

Zudem müssen Vorstände allzu oft den Spagat zwischen verschiedenen Kontinenten und Zeitzonen bewältigen. „Morgens steht Asien auf dem Plan, abends Amerika. Darüber hinaus belasten noch zahlreiche Geschäftsreisen“, so Bauer.

Dazu kommen weitere Stressfaktoren wie die Auseinandersetzung mit Personalthemen und die zeitliche Ausdehnung der Arbeit in den Feierabend und in das Wochenende. So schildert ein Manager, als Vorstand oder Geschäftsführer eines großen Unternehmens habe er im Prinzip keine Wochenenden mehr und auch keine Urlaube. „Man ist eigentlich überall und jederzeit für die Firma verfügbar“, so der Befragte.

Stressbewältigung: Delegieren und Priorisieren

Vor allem Strategien, die einer Schieflage zwischen Beruf und Privatleben vorbeugen, interessierten die Wissenschaftlerinnen. Die Gespräche mit den Topmanagern zeigen, dass zahlreiche Maßnahmen – sowohl persönliche als auch unternehmensinterne – helfen, die Arbeitsbelastung der Führungskräfte auszugleichen und ihre Ressourcen optimal einzusetzen.

23 Manager gaben an, Aufgaben an Mitarbeiter zu delegieren, um ihre eigenen Ressourcen zu schonen. Die zweithäufigste Strategie unter den Chefs ist das Priorisieren der unterschiedlichen Aufgaben: Eine Rangliste hilft, um sich nicht mit Unwichtigem zu überlasten. Aber auch Zeitmanagement, Selbstreflexion und das simple Neinsagen gehören zu den Strategien, mit denen sich Manager den notwendigen Freiraum erarbeiten: „Das ist reiner Selbsterhaltungstrieb, das sich verteidigen können, auch vor einem Schwall von Aufgaben …“, schildert einer der Befragten.

Die Antworten der Topmanager zeigen überraschenderweise, dass die Work-Life-Balance auch – mehr oder weniger direkt – von ihrem Entscheidungsverhalten abhängt. Dabei lassen sich mehrere Typen von Entscheidern abgrenzen. Am ausgeglichensten sind die Manager der Typen „Stratege“ und „kreativer Chaot“, weil sie generell eher aus dem Stehgreif oder improvisatorisch entscheiden können und so dem Zeitdruck besser standhalten.

Am wenigsten ausgeglichen sind die sogenannten „Perfektionisten“, die Probleme vor allem detailorientiert zu lösen versuchen und dadurch häufig den Blick für das Gesamtproblem verlieren oder sich mit unwichtigen Details überlasten. Der perfektionistische Ansatz – so die Studie – wirkt sich eindeutig negativ auf die Work-Life-Balance aus.

Eine besondere Rolle kommt auch dem Arbeitsumfeld einer Führungskraft zu – die Befragung ergab, dass bei Managern, die sich von ihren Mitarbeitern gut unterstützt fühlen, auch das subjektive Stressempfinden nachlässt. Während sich immerhin zehn der 42 Befragten ganz als Einzelkämpfer fühlen, gab über die Hälfte an, die größte Unterstützung durch Mitarbeiter und Kollegen zu erfahren.

So schilderte einer der Vorstände, wie sich Stress durch die Kommunikation mit Mitarbeitern ausgleicht: „Mich belastet es weniger, wenn ich mit den Leuten selbst spreche – denn dann spüre ich auch die Resonanz.“ Mitarbeiter als konstruktive Kritiker und Sparringspartner – so die Studie – helfen wesentlich, einer frühzeitigen Erschöpfung von Führungskräften vorzubeugen.

Aber auch die Unternehmen können etwas dafür tun, Arbeitskraft und Kreativität ihrer Topmanager zu erhalten. Mehr als die Hälfte der Chefs fordert daher, das Thema Work-Life-Balance in der Unternehmenskultur zu verankern. Dabei wünschen sich die meisten zuallererst eine Ergebnis- statt Anwesenheitsorientierung. „Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland schon gern mal danach geschaut, welches Auto abends noch auf dem Parkplatz steht“, stellt Stock-Homburg fest.

„Und der Vorstand ist da ja noch in einer besonders exponierten Position.“ Aber auch an Coaching oder Zeitmanagementtraining, so fordern die Manager, sollen Unternehmen nicht sparen, wenn es um die Leistungsstärke ihrer Topführungskräfte geht. „Spezielle Maßnahmen für die Leute, die an vorderster Front stehen, fehlen aber meistens in deutschen Unternehmen“, sagt Stock-Homburg. „Teilzeit für Vorstände gibt es bei uns nicht.“

Wer im Job voll belastet ist, braucht in der Freizeit umso mehr Erholungsinseln: 24 der 42 Manager hilft körperliche Bewegung, um richtig abschalten zu können. Sport stellt für sie den wichtigsten Ausgleichsfaktor zum Job dar.

Erst an zweiter Stelle – mit 15 Nennungen – steht die Familie. Ebenfalls 15 Mal gaben die Chefs an, eine strikte Trennung zwischen Beruf und Privatleben trage dazu bei, den Stress im Job erträglicher zu machen. „Wenn ich nach Hause komme und die Kinder mich vollständig einvernehmen, komme ich relativ schnell auf andere Gedanken“, erklärte ein Manager.

Lebenspartnerin als Managerin im Hintergrund

Der Partnerschaft schreiben die Wissenschaftlerinnen ebenfalls eine besondere Rolle zu: Sie kann die Work-Life-Balance entweder fördern oder einen negativen Einfluss ausüben. Am häufigsten, so fand die Studie heraus, erfüllen Partnerinnen die Rolle der „Managerin im Hintergrund“.

Sie entlastet den Partner indem sie das private Umfeld vollständig organisiert und weitgehend auf ein eigenes berufliches Engagement verzichtet. Ihre Bereitschaft, für die Karriere des Partners Opfer zu bringen, ist hoch, und entsprechend groß ist der positive Einfluss, den sie auf die Work-Life-Balance des Managers ausübt.

Die Wissenschaftlerinnen kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass gerade jüngere Partnerinnen nicht mehr bedingungslos bereit sind, diese traditionelle Rolle anzunehmen. Während ehemalige Manager häufig zu Protokoll gaben, dass enormer Rückhalt in der Partnerschaft ihr hohes berufliches Engagement erst ermöglichte, erleben jüngere Führungskräfte die Gleichzeitigkeit von Karriere- und Familienaufbau in den meisten Fällen als belastend.

Am dritthäufigsten, so die Studie, ist die Rolle der Partnerin eher die einer „Gegnerin“, die die Tätigkeit des Managers als Konkurrenz wahrnimmt und für mehr Engagement im Privatleben kämpft. Das führt bei dem Partner in Führungsposition häufig zu einem schlechten Gewissen – mancher arbeitet dann sogar heimlich, um das Privatleben zumindest vordergründig nicht zu belasten.

Die wichtigste Vorbeugung gegen frühzeitige Erschöpfung ist allerdings – und auch das bestätigt die Studie von Stock-Homburg – gleichzeitig auch die einfachste: Spaß bei der Arbeit. Wer seinen Job mit Begeisterung macht und sich von seiner Aufgabe angespornt und inspiriert fühlt, empfindet sie deutlich weniger als Belastung.

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