Gerhard Berger, Karla Kämmer u.a. (Hrsg.): Mitarbeiterorientierte Führung und Organisation. Erfolgsfaktor Gesundheit

Gerhard Berger, Karla Kämmer, Andreas Zimber (Hrsg.): Mitarbeiterorientierte Führung und Organisation. Erfolgsfaktor Gesundheit. Handbuch zum betrieblichen Gesundheitsmanagment Bd.1. Vincentz Verlag (Hannover) 2006. 215 Seiten. ISBN 3-87870-644-8. 24,80 EUR.

Zur Thematik und Vorgeschichte des Buches

In der Altenpflege ist so manches im Argen. Kritik an Pflege- und Betreuungsleistungen in den Heimen sind fast ständig medienwirksame Themen, die in Zeitungen, Fernsehen und mittlerweile auch in auflagenstarken Büchern breit ausgewälzt werden. Ob es sich um Einzelfälle handelt – die berühmten „schwarzen Schafe“ der Branche – oder ob mehr dahinter steckt, lässt sich gegenwärtig nicht ermitteln. Fest steht jedoch auf der anderen, nicht so publikumswirksamen Seite, dass beruflich Pflegende in den Heimen bezogen auf ihre Tätigkeit einen schweren Stand haben. Alle Erhebungen der letzten Jahre und auch schon Jahrzehnte weisen darauf hin, dass Hektik, Stress und physische und psychische Überforderung zum Alltag der Heime gehören. Ständig mit dem Abbau, Leiden und Sterben der Schutzbefohlenen konfrontiert zu werden, ist nicht leicht zu verarbeiten. Und wenn dann noch schwere körperliche Hebe- und Tragetätigkeiten hinzukommen, dann ist für viele die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Die hohe Zahl der Pflegenden, die dieses Arbeitsfeld nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen, ist Indiz dafür, dass hier grundlegende und systembedingte Fehlfunktionen im Segment „personale Dienstleistungen“ in stationären Altenhilfeeinrichtungen vorzuliegen scheinen. Die vorliegende Publikation kann in die Reihe der Erhebungen und Bücher eingereiht werden, die sich diesen Problemlagen angenommen haben und mit Lösungen, Strategien und neuen Impulsen diverse Verbesserungen der Arbeitsbedingen offerieren.

Die Autoren

Folgende Personen haben zu dieser zweibändigen Publikation Beiträge erstellt: Dr. Thomas Behr, Dr. Gerhard Berger, Dr. Joachim Bischoff, Friedhelm Büse, Sandra Ebner-Breunig, Fred Dreher, Dr. Hildegard Entzian, Margret Finke, Hannelore Freimuth, Irene Glück, Pamela Harms, Jens Kähler, Karla Kämmer, Dr. med. Elisabeth Kärcher, Sigrid Küfner, Jutta Linz, Dr. Joachim F. W. Müller, Birgit Nowak, René Pischel, Barbara Reuter, Dr. Georg Salzgeber, Angelika von Schaper, Margaretha Scherer, Erika Sirsch, Gerlinde Strunk-Richter und Dr. Andreas Zimber.

Inhalt

Die zweibändige Publikation ist in vier Teile untergliedert, die wiederum aus mehreren Abschnitten oder Unterkapiteln bestehen.

Teil A (Einführung: Betriebliches Gesundheitsmanagement, Seite 7 – 42) beinhaltet in vier Abschnitten u. a.

  • Aspekte des Gesundheitsmanagements,
  • Untersuchungen über den Gesundheitszustand der Pflegenden in stationären Altenhilfeeinrichtungen (u. a. gesundheitliche Beschwerden, Krankenstand, Berufskrankheiten, Erwerbsunfähigkeitsrenten und Fluktuation),
  • Fragen der betrieblichen Gesundheitsförderung und
  • verschiedene Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsmanagements.

Teil B (Das Unternehmen gesundheitsfördernd führen, Seite 44 – 212) ist in drei Themen unterschieden.

  1. Thema 1 (Rechtliche Regelungen und ihre betriebliche Umsetzung) beschreibt die verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit, die sicherheitstechnische Betreuung des Unternehmens (Fachkraft für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragter) und die arbeitsmedizinische Betreuung des Unternehmens (Betriebsarzt).
  2. Thema 2 (Organisationsentwicklung als Grundlage des betrieblichen Gesundheitsmanagements) behandelt u. a. die folgenden Fragestellungen: betriebliche Gesundheitsförderung als Unternehmensziel, das diesbezügliche Personalmanagement, Mitarbeiterauswahl und Team-Management, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Schnittstelle zwischen Pflege und Hauswirtschaft und den Einsatz älterer Mitarbeiter.
  3. Thema 3 (Gesundheitsmanagement als Teil des Qualitätsmanagements) enthält überwiegend verschiedene Instrumentarien und Interventionsformen: das Präventionsmodell und spezielle Seminare der Berufsgenossenschaft, ein Audit im Bereich der Arbeitsbewältigungsfähigkeit, Instrumente der Mitarbeiterbefragung (PASTA und SIESTA), Erhebungsverfahren zur Feststellung der psychischen Belastung und Beanspruchung seitens der Berufsgenossenschaft und das Selbstbewertungsinstrument „Gesundheitsfördernd führen“.

Kritische Würdigung  

Der vorliegende erste Band ist überaus verwirrend, wenn man versucht, den „Erfolgsfaktor Gesundheit“ in den Ausführungen zu finden. In den ersten Abschnitten werden faktenreich Tatbestände über das Gesundheitsverhalten der Pflegenden in den Heimen dargestellt (u. a. extrem hohe physische und psychische Belastungen, entsprechend eine überdurchschnittliche Fluktuations- und Berufsausstiegsquote), anschließend werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Arbeitsschutzes und der arbeitsmedizinischen Aspekte in den Einrichtungen angemessen erläutert. In der Regel dürfte nun erwartet werden, dass dem problematischen Ist-Zustand bezüglich der Mitarbeitergesundheit ein abgestufter Maßnahmenkatalog folgen würde im Sinne einer qualitativen Verbesserung der Arbeitssituation (mehr Personal, Einschränkung von schweren Hebe- und Tragetätigkeiten, spätestens nach sieben Tagen Dienst zwei freie Tage zur Regeneration und Ähnliches mehr). Die verschiedenen Vorschläge und Strategien gehen jedoch durchgängig in die Richtung, die Mitarbeiter an die bestehenden  Verhältnisse anpassen zu wollen. Es muß konstatiert werden, dass ein für die reale Wirtschaftsordnung symptomatisches Denken Einzug in die Heime gefunden hat, wenn Mitarbeiter auf ihre bloße Arbeitskraft reduziert werden, die es optimal einzusetzen gilt.

Fazit

Die Pflege und besonders auch die Altenpflege ist ein äußerst sensibles und interaktives Geschehen, das ein bestimmtes Maß an stützenden und fördernden Rahmenbedingungen erforderlich macht. Werden diese Faktoren negiert, wird Pflege zur bloßen Schwerstarbeit, die sowohl die Pflegenden als auch die Bewohner unerträglich belasten wird. Die vorliegende Veröffentlichung weist von der Intention und den Inhalten her  in die Richtung einer bloßen Ökonomisierung des Heimgeschehens.

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