Jeder und jede Zweite in Österreich ist übergewichtig


Schon jeder zweite Österreicher und jede zweite Österreicherin über 15 ist übergewichtig. Die 18- bis 24-Jährigen zählen zur größten Risikogruppe. Die Coronavirus-Lockdowns haben die Situation noch verschärft.


30 Prozent der Weltbevölkerung sind mittlerweile übergewichtig, gut ein Drittel davon wiederum gilt als adipös, also als krankhaft fettleibig. Adipositas-Statistiken zeigen, dass die USA bei krankhafter Fettsucht ganz vorne liegt. Aber auch in Europa sieht es düster aus. Malta, Lettland, Ungarn, Großbritannien, Deutschland, Österreich führen die europäischen Statistiken an. Deren Bevölkerung wird immer dicker und damit auch kränker.

Jeder zweite in Österreich kämpft gegen Übergewicht
Schon jeder zweite Österreicher und jede zweite Österreicherin über 15 ist übergewichtig. Von ihnen ist jeder und jede Dritte sogar von Adipositas betroffen. Die 18- bis 24-Jährigen zählen zur größten Risikogruppe. Die Coronavirus-Lockdowns haben die Situation noch verschärft.


Besonders schlimm entwickeln sich die Zahlen auch bei Kindern, betont Raffaele Eigner, Chirurg am Tauernklinikum in Zell am See (Pinzgau): „Die WHO – die Weltgesundheitsorganisation, rechnet ab 2030 mit 250 Millionen fettleibigen Kinder. Das ist alarmierend.“

Ursachen für extra-KilosViele übergewichtige Menschen verbringen einen Großteil der Zeit im Sitzen, sie machen wenig Bewegung und gehen kaum an die frische Luft, dafür verbringen sie viel Zeit am Handy oder am Computer und ernähren sich ungesund, etwa mit Fast Food.

Dass die Zahl an übergewichtigen Menschen steigt, ist nicht überraschend. Laut Eigner werden zunehmend Fette gegen Kohlenhydrate getauscht. Kohlenhydrate finden sich in einem Großteil der industriell gefertigten Lebensmittel. Das Problem dabei sei, dass die Menschen zu immer mehr dieser Füllmittel zu sich nehmen und kaum mehr abbauen. „Man müsste wesentlich mehr Zeit in Sport und Bewegung investieren, um das wieder ausgleichen zu können, aber das gelingt einfach nicht“, so Eigner.

Fettleibigkeit ab BMI über 30
Von Adipositas spricht man, wenn der Body Mass Index – der BMI – über 30 liegt. Ab einem gewissen BMI schafft es der adipöse Patient nicht mehr selbst, abzunehmen. Dann ist er abhängig von Professionisten. Dazu zählen Chirurgen, Internisten, Ernährungsmediziner, Diätologen und Physiotherapeuten. Gemeinsam erstellt dieses Team dann mit dem Patienten einen individuellen Therapieplan, erklärt Eigner: „Weil nicht jeder Patient gleich ist. Weder in der Ernährung, noch in seiner Lebenseinstellung noch in seinen Essgewohnheiten.“

Betroffene leiden unter Stigmatisierung
Die Folgen der Erkrankungen von Adipositas können dramatisch sein und reichen von Herzinfarkt über Schlaganfall bis zu Diabetes und Krebs. Betroffene leiden aber auch unter dem psychischen Druck, der Stigmatisierung. Wer in unserer Gesellschaft erfolgreich sein will, darf nicht dick sein, wer zu viele Kilos auf den Rippen hat, wird oft als faul abgestempelt.


Laut Ewald Kugler, Psychologe am Tauernklinikum in Zell am See, sind adipöse Menschen sehr sensibel: „Die Patienten sind bei dem Thema Übergewicht sehr schnell verletzbar. Denn die Menschen müssen sich unter anderem Sätze anhören, dass sie selber schuld sind, sie haben einen schwachen Willen und schlechte Disziplin aber auch, dass sie selbst wieder loswerden sollen, was sie sich angegessen haben.“

Viele stark übergewichtige Menschen schaffen es nicht mehr aus eigener Kraft, abzunehmen. Das wiederum setzt einen Teufelskreis in Gang, so Kugler: „Die Menschen bleiben zu Hause, vermeiden soziale Kontakte. Dann wird aus Frust gegessen und da kommt man ganz schwer heraus.“

Operation als letzte Behandlungsmöglichkeit
Oft bleibt nur noch die Operation. Davor sei es wichtig, mit den Patienten eine gute Gesprächsbasis herzustellen, sagt Ewald Kugler: „Dieses Zusammenspiel zwischen Psyche und Körper ist so stark verzahnt, eigentlich kann keine Seite ohne der anderen. Den Körper wieder als besten Partner zu gewinnen, der einen durchs Leben trägt und diese Verbindung wieder herzustellen, ist eine Herausforderung.“

Diese Operationen seien dann minimalinvasiv, sagt Chirurg Raffaele Eigner: „Die Operationen werden in Schlüsselloch-Technik durchgeführt. Hier wird der Magen so verkleinert, dass die Füllmenge und der Füllungszustand des Magens deutlich reduziert ist.“

Lebensstilveränderung
Die operierten Patienten müssen nach dem Eingriff sofort mit einem Mobilitätsprogramm und einer Lebensstilveränderung starten, betont Psychotherapeut Ewald Kugler: „Hier wird die Eigenverantwortung gestärkt.“

Es sei kein einfacher Weg, aber einer, der sich lohne und der den Patienten Lebensfreude zurückbringe, bestätigt auch Stefan Köttl, Physiotherapeut am Tauernklinikum Zell am See: „Selbstdisziplin wird gefordert und Kraftanstrengung, bei der man selbst seinen Körper und Willen überwinden muss, um ein Ziel zu erreichen. Der Patient wird gecoacht und es wird ihm Mut zugesprochen und er wird motiviert.“