KRANKENSTÄNDE   

Der vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) erstellte Bericht beleuchtet die langfristige Entwicklung der Krankenstände sowie deren Struktur und Ursachen.

Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten verursachen – wie Zahlen aus dem Jahr 2004 zeigen – bei den heimischen Betrieben jährliche Kosten von über 6,5 Milliarden Euro, das sind 3,1 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt). Das Ziel der Studie, so der WKO-Sozialexperte Dr. Martin Gleitsmann, „ist es, die Ursachen der Krankenstände zu analysieren, um in weiterer Folge eine Reduktion der mit sehr hohen Kosten verbundenen Fehlzeiten zu erreichen“.

„Österreich liegt bei den Unfällen im europäischen Mittelfeld“, so die Autorin des Reports Prof. Dr. Gudrun Biffl. „Die Anzahl der Unfälle geht stark zurück. Im Jahr 1980 gab es einen Höchststand, seither ging ihr Anteil an den Krankenstandstagen auf 3,3 Prozent zurück.“ In den ersten elf Monaten des Jahres 2007 hat die Zahl der Krankenstandstage allerdings um 11,9 Prozent zugenommen. Gleitsmann: „Wir können momentan noch nicht sagen, woran dies liegt, die Trendwende darf sicher nicht einfach ignoriert werden.“

Bei den Krankenständen zeigt sich ein Trend hin zu den Kurzzeit-Krankenständen. Sie machten 2004 rund 26 Prozent der Krankenstände aus. Da ihr Anteil an den Gesamt-Krankheitstagen allerdings nur 4,5 Prozent betrage, bedeute dies, dass „die Tage pro Krankenstand zunehmen“, so Biffl. Bei den Unter-34-Jährigen ist die Krankenstandsquote höher, die älteren Arbeitnehmer sind seltener, dafür länger krank.

Ein besorgniserregender Trend zeichnet sich bei Arbeitslosen ab: Die Zahl der Krankenstandstage ist von 19 Tagen (1990) auf 36 Tage (2006) gestiegen. „Wer beim AMS gemeldet ist, hat doppelt so hohe Krankenstandstage wie Beschäftigte“, so Mag. Renate Czeskleba vom ÖGB. Verschärfte Ruhensbestimmungen führen dazu, dass Mitarbeiter, die dem verstärkten Selektionsprozess in der Wirtschaft nicht mehr standhalten, sich immer seltener in Früh- und Invaliditätspension flüchten können. Czeskleba: „Allgemein gilt: Je niedriger der soziale Status, desto kränker.“

Ein weiteres beachtenswertes Detail des Reports: Zwischen 1991 und 2006 sind die wegen psychischer Erkrankungen notwendig gewordenen Krankenstandstage um über 90 Prozent gestiegen, das ist eine Zunahme von rund 790.000 Tagen. Außerdem gehen 5.000 Personen aus diesem Grund in frühzeitige Pension – bei den Männern bedeutet dies eine Verdopplung der Zahlen im Vergleich der letzten Jahre.

Psychische Belastungen seien bei Berufsunfähigkeitspensionen von Frauen bereits Krankheitsursache Nr. 1 meint der Präsident der Niederösterreichischen Arbeiterkammer Josef Staudinger: „Das ist ein Alarmzeichen. Die ständige Ausweitung von Öffnungszeiten, die immer weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten und der aufgeweichte Rhythmus von Arbeits- und Erholungszeit fordern offenbar ihren Tribut.“ Und AKNÖ-Gesundheitsexperte Dr. Bernhard Rupp, MBA ergänzt dies: „Während ein klassischer Arbeitsunfall eine Krankenstandsdauer von 18,8 Tagen nach sich zieht, dauert ein Krankenstand auf Grund einer psychischen Überbelastung wie zum Beispiel Burn-out durchschnittlich 29,4 Tage.“

Für Gleitsmann wird Gesundheitsförderung deshalb immer wichtiger: „Will die Gesellschaft diese dramatischen Entwicklungen in den Griff bekommen, so sind alle gefordert. Der Einzelne genauso wie Betriebe und die Allgemeinheit. Gehirnschmalz muss sich lohnen.“ Dass das Gesundheitsbewusstsein nicht bei allen Arbeitnehmern ausreichend ausgeprägt sei, kritisiert Ing. Mag. Georg Toifl von der Wirtschaftskammer: „Wir gehen alle nicht gut mit unserer Gesundheit um. Bei Gesundheitsuntersuchungen, die den Arbeitnehmern keine Kosten verursacht haben, wollten im Schnitt nur 65 bis 70 Prozent der Mitarbeiter mitmachen.“ Besonders schwer seien die Arbeitnehmer in Unternehmen unter 20 Mitarbeitern zu erreichen, die in Österreich 98 Prozent aller Betriebe ausmachen. „Hier muss es unbedingt zu Effizienzsteigerungen kommen.“

Psychiater Dr. Rudolf Karazman verwehrt sich gegen wechselseitige Schuldzuweisungen, was krankmachender ist, das Arbeitsumfeld oder der angebliche Freizeitstress mit steigenden Freizeit-Unfällen. Eine Reduzierung der Fehlzeiten in den Betrieben ist seiner Meinung nach nicht alleine über die Verringerung der Krankenstände zu erreichen. Es sei für den Arbeitnehmer wichtig, das „Mögen“ der Arbeit zu finden. Arbeit sollte sinnstiftend sein, Mitarbeiter müssten stärker eingebunden werden und Führungskräfte sollten ihre Rolle auch so interpretieren, taktische, erfundene, erzwungene oder gewünschte Krankenstände zu vermeiden.

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