Sucht und Schulden machen krank

Das Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung veranstaltet regelmäßige Treffen für Interessierte zu aktuellen Schwerpunktthemen. Das nun schon 30. Treffen wird von zwei hochkarätigen lokalen Referenten bestritten, die sich den Themen Schulden und Sucht widmen.
Schulden können zu Krankheit und Krankheit kann zu Schulden führen.
Peter Kopf von der ifs-Schuldenberatung Vorarlberg hilft Menschen, die überschuldet sind.

Peter Kopf ist Geschäftsführer der ifs-Schuldenberatung Vorarlberg und hilft schon seit vielen Jahren Menschen, die überschuldet sind. Sein Vortrag „Die Angst vor dem Briefkasten – Oder: Schulden machen krank. Krankheit macht Schulden.“ zeigt auf, welche Mechanismen in die Schuldenspirale führen und wie sie bewältigt werden kann. Geld und Gesundheit stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Schulden und finanzielle Not haben entscheidende Auswirkungen auf die Gesundheit. Internationale Studien und die Erfahrungen der ifs-Schuldenberatung belegen es: Schulden können zu Krankheit und Krankheit kann zu Schulden führen.

Der Befund
Eine Studie der Universitäten Mainz und Erlangen-Nürnberg hat ergeben, dass 79 Prozent der Klienten und Klientinnen von Schuldenberatungen an mindestens einer Krankheit leiden. Psychische Probleme sowie Gelenks- und Wirbelsäulenerkrankungen stehen dabei an den ersten beiden Stellen. Für ein Drittel der Befragten sind Krankheiten, Unfälle oder Sucht Hauptgründe für eine Überschuldung. Eine Telefonumfrage unter ehemaligen Ratsuchenden der österreichischen Schuldenberatungen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. 71 Prozent leiden unter Stress, 63 Prozent an Depressionen, 60 Prozent unter Schlafstörungen. 58 Prozent haben psychische Probleme. Sorgen, Angstzustände, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Suchterkrankungen werden ebenfalls genannt.

Die Praxis
Was macht die ifs-Schuldenberatung mit diesem Wissen? In zwei großen Projekten wurden ganz konkrete Handlungsmaßnahmen erprobt und umgesetzt. Mit dem Projekt „Trotz allem gesund“ wurden Klientinnen und Klienten auf die Möglichkeit der ärztlichen Vorsorgeuntersuchung hingewiesen. Außerdem sprechen die Schuldenberaterinnen und Schuldenberater seit Durchführung dieses Projekts gesundheitliche Auffälligkeiten ganz gezielt an. Das Projekt „Trotz allem vernetzt“ hat sich mit der Frage befasst, ob Betroffene noch soziale Kontakte haben. Das Ergebnis war erschreckend. Soziale Kontakte sind bei überschuldeten Menschen auf ein Minimum reduziert. Mithilfe von zwei Unterstützungsgruppen gelingt es, diese Kontakte wieder zu aktivieren – wenn nötig auch mit geringen Geldbeträgen.

Finanzführerschein und Unfallverhütung
Ganz wichtig dabei ist auch der „Vorarlberger Finanzführerschein“. Seit mehr als elf Jahren werden mit ihm Kinder und Jugendliche von zehn bis 18 Jahren erreicht. Letztes Jahr wurde schon der elftausendste Finanzführerschein übergeben. Vor allem in Schulen, Jugendeinrichtungen, Lehrbetrieben und sozioökonomischen Betrieben des AMS wird mit den jungen Menschen über den richtigen Umgang mit Geld geredet. Mit ihnen und ohne erhobenen Zeigefinger. Schuldenprävention ist nämlich ein wesentlicher Schlüssel zur Vermeidung von Schulden und damit zur Vermeidung des damit verbundenen gesundheitlichen Risikos. Getragen wird der Finanzführerschein von einer breiten Kooperation verschiedener Institutionen, neben der AK Vorarlberg sind auch das Land Vorarlberg, die Wirtschaftskammer, das Arbeitsmarktservice und auch einige Banken an diesem Angebot beteiligt.

Mit der Initiative „Sicheres Vorarlberg“ konnte ein wichtiger Partner in den Bemühungen um ein gesundes finanzielles Leben gefunden werden. Unfälle gehören zu den großen Schuldenrisiken. Unfallprävention ist daher auch Schuldenprävention. Die meisten Schuldnerinnen und Schuldner, die nach einer erfolgreichen Schuldensanierung befragt werden, was jetzt anders ist, treffen eine klare Aussage: „Die Angst vor dem Briefkasten, in dem jahrelang nur Rechnungen, Mahnungen, Inkassoschreiben und Gerichtsbriefe gelegen haben, ist vorbei.“ Und ein Klient sagte erst kürzlich: „Ich fühle mich jetzt um 100.000 Kilo leichter.“ Besser kann man wohl kaum ausdrücken, wie Schuldenberatung Nutzen stiftet.

Sucht und ihre Folgen
Im zweiten Vortrag widmet sich Bernhard Gut dem Thema „Sucht – wie spreche ich es an?“. Gut ist Klinischer und Gesundheitspsychologe und hat über 15 Jahre Erfahrung in der Suchtberatung mit Betroffenen und Angehörigen. Derzeit ist er außerdem Hochschullehrer an der Fachhochschule Vorarlberg und St. Gallen beziehungsweise pädagogischer Mitarbeiter in Schloss Hofen. Seine Erfahrung: Suchterkrankungen in Unternehmen werden oftmals früh beobachtet, lange geduldet und erst spät thematisiert. Die Gründe dafür sind vielfältig, und die Tatsache des wenig Thematisierens soll in keinster Weise als Vorwurf gewertet werden. Sucht ist eine Krankheit und fällt daher in den Kontext medizinischer und psychologischer Betrachtungen, und Führungskräfte sind dafür in aller Regel nicht ausgebildet. Hingegen ist der Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr wohl ein Führungsthema, und darauf soll der Schwerpunkt des Vortrags gerichtet sein.
Führungskräfte müssen weder Suchtexperten noch Therapeuten sein, um sich dem Thema suchtkranke Mitarbeiter zu stellen. In ihren Führungskompetenzen verfügen Vorgesetzte bereits über eine Reihe wesentlicher Instrumente und Strategien, um der Problematik effektiv zu begegnen – dies wird oft unterschätzt. In den Ausführungen wird es daher um die Möglichkeiten und Strategien gehen, welche Führungskräfte anwenden können, wenn im Unternehmen das Thema Sucht zum Problem wird.

30. BGF-Netzwerktreffen am 17. Oktober 2018, 17 Uhr im WIFI Dornbirn
Kontakt: Gabriele Graf, Tel.: 050/258-1526