Diskriminierung, Arbeitslosigkeit, Mobbing, traumatische Erlebnisse: Sozialer Stress beschleunigt laut einer neuen Studie die Alterung des Immunsystems. Und das macht Betroffene wiederum anfälliger für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch Covid-19.

Wie früh dieser Alterungsprozess beginnt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ob der sozialer Stress, dem jemand im Laufe des Lebens ausgesetzt war und ist, die Immunalterung beschleunigt, untersuchte ein Forschungsteam um Eric Klopack von der Fakultät für Gerontologie der Universität von Südkalifornien. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.

Fragebögen, Datensätze, Blutproben

In einer US-weiten Stichprobe mit 5.744 Über-50-Jährigen analysierten die Forscherinnen und Forscher mögliche Zusammenhänge zwischen Anzeichen von Immunalterung und verschiedenen Ursachen von sozialem Stress. Dieser kann u. a. durch traumatisierende Lebensereignisse, durch berufliche Belastungen – von starkem Druck über Mobbing bis zu Arbeitslosigkeit – und auch durch lebenslange Diskriminierung und soziale Benachteiligung hervorgerufen werden.

In einem Fragebogen beantworteten die Probandinnen und Probanden Fragen, die auf erlebten sozialen Stress abzielten. Das Forschungsteam kombinierte die Ergebnisse mit Datensätze aus der umfangreichen Health and Retirement Studie der Universität Michigan, einer nationalen Längsschnittstudie zu Gesundheit und Ruhestand von US-Amerikanerinnen und -Amerikanern, die seit dem Jahr 1990 läuft. Außerdem wurden Blutproben der Teilnehmenden analysiert.

Sozialer Stress hat Einfluss auf T-Zellen

Die Untersuchung ergab, dass Personen mit höheren Stresswerten ein schwächeres Immunprofil haben. Dieses gibt Auskunft über Art und Zahl vorhandener Immunzellen und deren Aktivierungszustand. Altert das Immunsystem, steigt der Prozentsatz an abgenutzten weißen Blutkörperchen. Zugleich sinkt die Zahl jener weißen Blutzellen, die wichtig für die Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger wie Viren und Bakterien sind: die T-Lymphozyten, kurz T-Zellen.

Die Verbindung zwischen sozialem Stress und weniger reaktionsbereiten T-Zellen sei auch nach der Berücksichtigung von anderen Einflusskriterien wie etwa Bildungsgrad, Body-Mass-Index (BMI) und erhöhtem Zigaretten- und Alkoholkonsum stark geblieben, so die Studienautorinnen und -autoren.

„Ursachen können nicht immer beseitigt werden“

Mit der Studie wollen die Autorinnen und Autoren dazu beitragen, die Gesundheit im Alter besser zu erforschen – um in weiterer Folge zielgerichtete Maßnahmen zur Vorbeugung der Immunalterung entwickeln zu können. Zumindest zum Teil soll die Forschung auch Hinweise darauf geben, warum einige ältere Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus stärker an Covid-19 erkranken als andere.

„Weil das Alter der Weltbevölkerung immer mehr zunimmt, ist es notwendig, Unterschiede in der Gesundheit älterer Menschen zu verstehen“, sagt Hauptautor Klopack. Denn: „Altersbedingte Veränderungen des Immunsystems spielen eine entscheidende Rolle bei der Verschlechterung der Gesundheit“. Die Studie trage dazu bei, Mechanismen aufzuklären, die an der beschleunigten Immunalterung beteiligt sind.

Und auch wenn viele der Ursachen von sozialem Stress auf individueller Ebene oft nur schwer zu beseitigen sind, so deuten die Ergebnisse der Studie laut den Forscherinnen und Forschern doch darauf hin, dass Unterschiede in der Immunalterung durch Maßnahmen, die darauf abzielen, Stress abzubauen oder die Resilienz zu erhöhen, verringert werden könnten.