Seit Jänner 2021 sinkt die Zahl der Arbeitslosen kontinuierlich. Doch während viele wieder eine Arbeit finden, bleibt die Zahl jener, die seit Monaten bzw. Jahren einen Job suchen, hoch. Heute haben rund 130.000 Personen eine AMS-Geschäftsfalldauer von mehr als 365 Tagen. Das sind zwar um 8.000 Menschen weniger als noch vor einem Monat, aber noch immer deutlich mehr als vor Ausbruch der Pandemie – und um vieles mehr als vor gut 20 Jahren.

„Mit Beginn der Krise gab es binnen weniger Tage viele Neuzugänge in die Arbeitslosigkeit. Zur gleichen Zeit sanken wegen der Restriktionen die Wiederbeschäftigungschancen – auch für jene, die ohnehin schon arbeitslos oder in einer Schulung waren“, sagt Ökonomin Julia Bock-Schappelwein im Gespräch mit ORF.at. Die Krise habe das Risiko, dass sich bei vielen Personen die Arbeitslosigkeit verfestigt, erhöht, so die Expertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO).

Trend nach oben

Grundsätzlich unterscheidet das Arbeitsmarktservice (AMS) in seinen Statistiken zwischen Langzeitarbeitslosen und Langzeitbeschäftigungslosen. Personen, die mehr als ein Jahr ohne längere Unterbrechung (auch nicht durch eine Schulung) als arbeitslos vorgemerkt sind, gelten als langzeitarbeitslos. Unter Langzeitbeschäftigungslose fallen hingegen auch jene, die etwa einen Kurs besuchen. Die Langzeitbeschäftigungslosigkeit, die höher ist als die Langzeitarbeitslosigkeit, wird erst beendet, wenn eine Person länger als 62 Tage nicht mehr beim AMS gemeldet sind.

Die Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie haben beide Zahlen in die Höhe schnellen lassen und bleiben seither auf konstant hohem Niveau. Während viele Personen, die wegen des Lockdowns ihren Job verloren haben, mit den Lockerungen seit dem Frühjahr 2021 auf den Arbeitsmarkt zurückkehrten, kommen andere nicht vom Fleck. Heute machen die Langzeitarbeitslosen unter den Gesamtarbeitslosen einen Anteil von knapp 30 Prozent aus. 2019 lag der Anteil bei 17,5 Prozent und 2001, also noch vor den Krisenjahren ab 2008, bei sechs Prozent.

„Heute ist man deutlich länger arbeitslos als vor einigen Jahren“, so Bock-Schappelwein. Die Coronavirus-Krise habe diesen Trend verstärkt, aber die Expertin erinnert daran, dass die Arbeitslosigkeit hierzulande schon vor der Pandemie vergleichsweise hoch war. „Wir sehen, dass der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit seit 2013 kontinuierlich steigt“, sagt sie. Grund dafür sei das geringe Wirtschaftswachstum in den Jahren nach der Krise 2009 gewesen. Die Arbeitslosigkeit stieg an, von der Wirtschaftserholung profitierten Langzeitarbeitslo

Konkurrenzsituation unter Arbeitslosen

Auch in der Pandemie entwickelte sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt ähnlich. „Die Öffnungsschritte bewirkten einen großen Abgang aus der Arbeitslosigkeit. Viele Kurzzeitarbeitslose wurden wieder beschäftigt“, betont Bock-Schappelwein. Hingegen wurden Personen, die schon seit Monaten einen Job suchen, in die „zweite Reihe“ befördert. Das hänge mit dem explosionsartigen Anstieg der Arbeitslosigkeit im März 2020 zusammen. Dieser habe die „Konkurrenzsituation“ unter den Arbeitslosen verschärft.

„Langzeitarbeitslosigkeit war schon immer ein Stigma und erschwert die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt“, so die Expertin. Noch schwieriger werde es, wenn sich unter den Arbeitslosen vermehrt Jüngere befinden, die noch nicht so lange beim AMS gemeldet sind. „Dass die CoV-Pandemie AMS-Weiterbildungsmaßnahmen verunmöglichte, aber gleichzeitig auch zu einem Digitalisierungsschub in der Arbeitswelt führte, macht es für Arbeitslose nicht einfacher, Schritt zu halten.“

Hinzu kommt, dass Langzeitbeschäftigungslose sehr häufig über 50 Jahre alt sind. In vielen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass ältere Personen, die einmal arbeitslos werden, ein hohes Risiko haben, von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen zu sein. Gleichzeitig sinkt auch die Chance, wieder in eine dauerhafte Beschäftigung zu kommen. Dasselbe gilt für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen bzw. einer geringen Ausbildung. „Eine Kombination aus diesen Faktoren erhöht das Risiko, länger arbeitslos zu sein“, sagt Bock-Schappelwein.

Reaktion und allen voran Prävention

Das WIFO hat sich den Verlauf jener Personen angesehen, die in der ersten Lockdown-Phase ab März 2020 ihren Job verloren: Fast die Hälfte aller Personen, die keine Risikofaktoren aufweisen, fand bis Ende Juni wieder einen Job. Unter den Personen, die zwei Risikofaktoren aufweisen, lag der Anteil bei 37 Prozent, unter jenen mit drei Risikofaktoren bei 23,5 Prozent. Dementsprechend niedrig ist auch der Anteil von Langzeitarbeitslosen, die wieder den Weg zurück auf den Arbeitsmarkt finden.

Wie lang es dauern kann, bis diese Personen ein Job erhalten, weiß auch das AMS. „Zuerst gehen die Personen mit den besseren Arbeitsmarktchancen aus der Arbeitslosigkeit ab, dann erst folgen allmählich auch jene mit vergleichsweise größeren Schwierigkeiten bei der Jobsuche“, schreiben die Fachleute der Jobvermittlung. Neben der Frage, wie man Langzeitarbeitslose vermittelt („Sprungbrett“-Initiative des Arbeitsministeriums und die ausgelaufene „Aktion 20.000“), soll der Fokus auch auf die Prävention gelegt werden.

Lohnsubventionen, wie sie etwa bei der „Sprungbrett“-Initiative vorkommen, seien bei älteren Arbeitssuchenden besonders wirksam, so Bock-Schappelwein. „Es braucht auch ein Angebot, um diese Gruppe länger im Erwerbsprozess zu halten, zum Beispiel durch altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung.“ Für Geringqualifizierte sei es außerdem wichtig, dass sie über Kurse auch Bildungsabschlüsse nachholen bzw. Grundkenntnisse erwerben können. Damit könnte man verhindern, dass Personen in die Langzeitarbeitslosigkeit schlittern.