Alles gleichzeitig? Stress pur! 

Multitasking: Berufstätige verlieren zwei Stunden pro Tag.
Warum der Versuch, Aufgaben parallel zu erledigen, Zeit kostet und Fehler produziert.

So, nun endlich mal den Vortrag konzipieren. Der muss dringend fertig werden. Da meldet der Computer: „Sie haben eine neue E-Mail.“ Das Telefon klingelt: Jemand will einen Termin absprechen. Nebenbei eben die Mail lesen. Durch die Bürotür guckt die Kollegin und versucht per Zeichensprache schnell was zu klären. Multitasking, der Versuch, vieles gleichzeitig zu machen, kostet Arbeitnehmer Kraft und die Unternehmen Milliarden.

Psychologen und Neurowissenschaftler warnen: Unser Gehirn ist eigentlich nicht dafür gemacht, mehrere Dinge auf einmal zu tun. Zumindest einigermaßen anspruchsvolle Aufgaben kann es nur der Reihe nach erledigen. Wir können zwar gleichzeitig mehrere Dinge wahrnehmen – unser Gehirn puzzelt uns beispielsweise in Windeseile einen ersten Eindruck vom neuen Gesprächspartner auf einer Party zusammen -, aber wir versagen, wenn wir gleichzeitig mehrere Entscheidungen treffen müssen. Setzen wir uns über diese biologische Grenze hinweg, geht das zu Lasten von Leistung und Gesundheit.
Wir machen Fehler und verschwenden Zeit, weil wir uns immer wieder neu eindenken müssen. Die amerikanische Beraterfirma Basex befragte Büroangestellte verschiedener Hierarchie-Ebenen, wie viel Arbeitszeit ihnen täglich dadurch verloren geht, dass sie aus Arbeitsprozessen herausgerissen werden. Sie kamen auf gut zwei Arbeitsstunden pro Tag.

Ist erfolgreiches Multitasking also nur ein Mythos? Zunächst gilt zu unterscheiden: Was versuchen wir wirklich gleichzeitig zu machen und was sind Arbeiten, die uns aus der aktuellen Tätigkeit herausreißen? Wenn wir die Arbeit für den Vortrag unterbrechen, um zu telefonieren, handelt es sich streng genommen nicht um Multitasking, sondern um hohe Arbeitsintensität. Beides hat Tücken.

Eva Bamberg, Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Hamburg erklärt das so: „Bei hochautomatisierten Tätigkeiten, die nur geringe Aufmerksamkeit erfordern, ist Multitasking weniger ein Problem. Doch je komplexer die Aufgaben sind, desto weniger ist es möglich zwei oder mehr Dinge gleichzeitig zu tun.“ So ist es machbar, beim Autofahren die Fragen der Kinder zu beantworten. Aber nur, solange weder die Antworten noch die Strecke zu schwierig wird.

Torsten Schubert, Psychologe und Neurowissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität, vergleicht unser Gehirn mit einem Computer, der ständig hoch- und wieder herunterfahren muss: Für jede anstehende Aufgabe sammelt es sich zusammen, was es zu deren Lösung braucht und aktiviert dabei jede Menge Nervenzellen. „Da ruft mich jemand an und bittet um einen Termin. Mein Gehirn gibt entsprechende Anweisungen: Kalender rausholen, reingucken, entscheiden, Termin absprechen. Ist die Aufgabe erledigt, legt das Gehirn idealerweise alle Informationen zurück an ihren Platz – fährt gewissermaßen runter -, bevor es sich zusammensucht, was es für die nächste Aufgabe braucht.“ Das Gehirn mache eine zeitlich kaum spürbare Pause und könne so die nächste Aufgabe ausgeruht angehen.

Unterbricht man uns nun aber in dem, was wir gerade tun, werden die entsprechenden Nervenzellen deaktiviert. Die abgebrochene Aufgabe hinterlässt uns in einem Spannungszustand. „Das ist geradezu körperlich unangenehm“, sagt Schubert. Wollen wir die alte Tätigkeit fortsetzen, müssen wir erst wieder die entsprechenden Zellen aktivieren – das kostet Zeit und ist auf Dauer ermüdend und demotivierend. „Immer wieder herausgerissen zu werden geht zu Lasten der Arbeitszufriedenheit und der Qualität der Arbeit“, bekräftigt Arbeitspsychologin Bamberg. Fehler schleichen sich ein, viele Mitarbeiter fühlen sich gestresst und reagieren darauf mit körperlichen wie seelischen Beschwerden. Ob jemand mit hoher Arbeitsintensität zurechtkommt, ist jedoch individuell unterschiedlich. „Neuere Untersuchungen belegen, dass sich das Gehirn trainieren lässt und so leichter und schneller zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herspringen kann“, sagt Schubert.

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